von innen

Die Sehnsucht nach Gerechtigkeit und die Suche nach Frieden

Recht und Unrecht. Ist eine Trennung beider Pole wirklich klar möglich?


Gerechtigkeit. Ein Wert, der mir so lange so wichtig erschien.


Das Recht des Einzelnen. Jedem Menschen das gleiche Maß an Recht zukommen zu lassen. Ich war für Gerechtigkeit – nur ich hatte einen Denkfehler…

Mein Recht ist nicht immer mit dem Recht des Anderen vereinbar. Kennen wir es nicht zu gut, dass zwei Parteien sich im Recht fühlen? Wer entscheidet dann über das Rechte?


Ist die Schablone, die für die Gerechtigkeit verwendet wird, die Rechte?


Wer bestimmt über diese Entscheidung? Wer richtet?

In den aktuellen Zeiten höre ich tagein, tagaus über Recht und Unrecht. Bloß sieht das je nach Perspektive sogar ganz gegenteilig aus.


Worauf berufen wir uns, wenn wir meinen Recht zu haben? Worauf beziehen wir uns, wenn wir glauben Ungerechtigkeit zu erfahren?


Ungerechtigkeit ist meist subjektiv und doch oft so eindeutig – oder doch nicht?

Ich nehme mal alles aus, was ein Menschenleben gefährdet. Obwohl wo beginnt das? Wo endet diese Grenze?

Ich glaube Jeder und Jedem da draussen, wenn sie/er meint: ich wurde ungerecht behandelt.

Was ich mich jedoch auch frage: Macht das automatisch die Gegenseite, den vermeintlichen Verursacher, zum Schuldigen?

Bezugnehmend auf die zwei Seiten die uns gerade in der Pandemie sehr stark präsentiert werden – oder dies versucht wird – warum fühlen sich viele von beiden Seiten ungerecht behandelt? Bedingt also Ungerechtigkeit ein allgemein gültiges Unrecht?

Nochmal schwieriger wird es ab dem Punkt, wo wir für Recht kämpfen wollen. Mein Recht aufzuzeigen, ist noch keine Bereitschaft in einen Kampf zu ziehen. Vielmehr mag es ein Sich-Ausdrücken sein ohne damit zu meinen, dass mein Recht dem Recht des Anderen gleichkommt.

Ich war schockiert über mich, zu erkennen, wie oft ich meinte für Gerechtigkeit einzustehen und womöglich neue Ungerechtigkeit erzeugte. Meine Emotionen gingen hoch bei Ungerechtigkeiten. Ich meinte, es ausdrücken zu müssen – obgleich ich merkte, dass Emotionen meist wenig mit Recht zu tun haben.


Was ich die Tage so verzweifelt im Aussen suchte, war Zusammensicht.


Sich sehen in dem wo wir gerade stehen und meinen, respektiert werden zu wollen. Und zu erkennen, dass allein das Verteidigen dieses Ausgangspunkts manchmal schon eine Kerbe in den Raum des Anderen reisst.

Frieden – ich glaub da spreche ich für viele – danach sehnen wir uns. Im Kleine wie im Großen. Nur wie geschieht Frieden? Müssen wir nicht genau dafür aufstehen? Für Frieden, wie für Gerechtigkeit. Kann es sogar möglich sein, dass mein Friede nicht der Friede des Anderen bedeuten muss?


Ich erkannte diese Tage, dass ich Friede lediglich in meinem Inneren finden kann.


Sobald ich aber diesen Frieden dort im Aussen haben möchte, kann es sein, dass ich damit den Frieden des Anderen angreife – weil ich eine gewisse Vorstellung davon habe, wie Friede sich ausdrücken und handeln sollte.

Jetzt im Moment habe ich eine Idee von Frieden. Einen Frieden der dort nichts erzwingt – um des eignen willens. Denn wenn ich wirklich in Frieden bin in mir – dann bin ich es mit allem da draußen.


Vielleicht ist Frieden viel mehr eine Tugend, eine Friedfertigkeit, als Abwesenheit von Störung und Unruhe.


Ein Zustand von Versöhnung, mit allem was ist und wohl auch mit Ungerechtigkeit. Dann erst – womöglich! – gibt es keinen Grund mehr wogegen zu sein, sondern viel mehr verbunden mit allem, hinfühlend und doch ruhend zu bleiben, mit sich und er Welt da draussen.

Auch habe ich nicht die Erwartung an mich keine Unruhe mehr zu fühlen, frei zu sein von dem Gefühl ungerecht behandelt zu werden oder für etwas aufstehen zu wollen. Vielleicht aber schenken mir diese neuen Einsichten Besonnenheit für die Momente, in denen ich sonst schnell reagiere auf das dort und künftig lieber einmal ein- und ausatme, bevor ich zum Richter werde zwischen Recht und Unrecht.

Ich wünsche mir von Herzen, dass ich in Keiner und Keinem da draussen ein Gefühl von Ungerechtigkeit erzeuge – allein mit diesen Worten. Und doch weiß ich, dass es schnell und ungeachtet passieren kann. Ich möchte mich immer wieder erinnern, dass Recht und Unrecht oft Hand in Hand gehen und mein stärkster Beitrag in diesen Zeiten sein kann, Frieden in mir selbst zu finden oder immer wieder neu zu erschaffen.


Ich habe den Wert ‚Gerechtigkeit‘ aus meiner Liste gestrichen.


Und es ist mir ein Stein von der Seele gerollt. Ich möchte nicht mehr glauben zu wissen was recht und unrecht ist. An diese Stelle schreibe ich nun das Wort:

FRIEDEN

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